Judenstraße 14
Judenstraße 14
Böttingerhaus
Bamberg: Fassade des Böttingerhauses
Die reich ornamentierte, barocke Fassade des 1713 errichteten Böttingerhauses kommt im Stadtbild Bambergs nicht zur Geltung, da der repräsentative Bau in der Judenstraße fast eingezwängt wirkt. Die Fülle der barocken Bauelemente erschließt sich dem Beobachter erst, wenn er unmittelbar vor dem Haus steht.

Hausnummer im 19. Jahrhundert: Nr. 1476

Hausname: Böttingerhaus
Der Hausname bezieht sich auf den Erbauer, den Geheimen Hofrat Johann Ignaz Tobias Böttinger (1675-1730), der den Bau 1712 bezieht. Bereits zwei Jahre später beginnt er - wohl auf Grund von Baumängeln - den Bau eines großzügigeren Palais am Alten Graben; es entsteht von 1714-1722 das Wasserschloss Concordia, in das Böttinger mit seinen damals 10 Kindern 1722 einzieht. Die Concordia wird nie richtig fertig, bietet aber ein deutlich besseres Wohnklima. - Die Concordia beherbergt heute das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia.

Baubeginn des Böttingerhauses: 1707

Baubeschreibung:
Das Gebäude gliedert sich in mehrere Flügel: Der Straßenflügel enthält die Schaufassade an der Judenstraße, den Treppenbau (links des Straßenflügels), den Bergflügel (am Stephansberg) und den Nebenflügel (nördliche Begrenzung zu Judenstraße 12). Straßenflügel, Treppenbau und Nebenflügel umschließen einen Innenhof mit Brunnennische. Die Architektur nutzt die Lage am steilen Stephansberg aus: Von jedem der drei Geschosse aus kann man ebenerdig eine Terrasse betreten!
Blick vom Stephansberg zum Böttingerhaus
Böttingerhaus: Blick in Richtung Stephansberg
Blick auf Bergflügel und Treppenbau; links die zum Haus gehörigen Terrassen
Von der Judenstraße aus erkennt man (von links) die hintereinander gestaffelten Bauteile des Böttingerhauses: Bergflügel, Treppenhaus und Straßenflügel.

Alle Fassaden   des dreigeschossigen Böttingerhauses sind reich geschmückt; man findet:
   genutete Pilaster mit korinthisierenden Kapitellen, bereichert mit Adlern und Blumengirlanden
   Fensterornamente: u. a. Hermenkaryatiden, Muscheln, Füllhörner, Akanthusvoluten, Putten, Vasen, Bandel- und Laubwerkrahmungen
   Fenstergiebel z. T. mit Büsten
   am Sockel eines Kolossalpilasters: Knabe mit Hund


Besonderen Wert legten die Erbauer auf ein repräsentatives Portal und die darüber liegende Fensterachse. Das reich gerahmte, rundbogige Portal weist folgende Merkmale auf:
   Die Portalpilaster besitzen nach oben gerollte Akanthusvoluten.
   Schlussstein mit Voluten und einer männlichen Büste
   Über den Portalgesimsen   befinden sich zwei geschwungene und eingerollte Giebelschenkel mit Löwen, zwischen denen ein bekränzter Jüngling und ein zwergenhafter Greis eine heute leere Kartusche halten.
   Torflügel aus Eichenholz mit Pilastern und Füllungen in Bandelwerkschnitzerei; Lünetten mit Gitterwerkkartuschen und Laubwerk
Bamberg, Portal des Böttingerhauses
Löwenkopf in der Fußgängerpforte des Böttingerhauses
Löwenkopf am Portal des Böttingerhauses
Reich ornamentiertes   Barockportal des Böttingerhauses (Straßenfassade) - Große Teile der Gartenfassade befinden sich heute am "Bamberger Haus" im Luitpoldpark/München (1899 verkauft). [1]

Zur Schaufront gehören auch die Dachausbauten, die nur noch zum Teil erhalten sind. Besonders eindrucksvoll ist die zwerchhausartige Gaube über der mittleren Achse, die  von Voluten eingefasst sind, auf denen bekränzte, bärtige Gestalten sitzen. Noch 1928 gab es einen zentralen Zierkamin mit Zwiebelkuppel; die heutigen Kamine sind vereinfachte Nachbildungen.
Böttingerhaus: Dachaufbauten
Zu den mächtigen Dachaufbauten des Böttingerhauses gehörten einst noch voluminöse Zierkamine. - Das Foto wurde vom Turm des Schlosses Geyerswörth aus aufgenommen.


Im Innenhof befindet sich eine Brunnennische.   Der Brunnen ist verronnen, und die Brunnen-Nixe wurde durch eine Figur des Schlangen erwürgenden Herkules-Knaben (1932 aus Würzburg erworben) ersetzt.

Der  Schmuckhof hat durch Verkauf herbe Verluste erlitten, glänzt aber immer noch mit dem Portal im ersten Obergeschoss des Nebenflügels:
Portal des Nebenflügels
Das Portal zum Nebenflügel ist eingerahmt von zwei Atlanten; den Türsturz ziert ein Adler mit Blütengirlande. Die Atlanten tragen zwei Vasen mit mythologischen Reliefs: Herakles und Antäus sowie Herakles im Löwenkampf, jeweils bekrönt von kleinen Figuren. An der gegenüberliegenden Kante des Treppenbaues befindet sich eine Karyatide, die eine Vase mit einem Relief des Herakles als Bezwinger des kretischen Stieres trägt.
Brunnennische im Böttingerhaus
Brunnennische

Das Gewölbe über der Durchfahrt zeigt eine um 1928 von Paul Barthel wiederhergestellte Tonmalerei mit der Darstellung eines Palastes und einem Chronogramm  das das Jahr der Fertigstellung des Bauwerks (1713) angibt:
DEO  CONFISA  SVO  TRANQVILLA  MANEBIT

(Frei übersetzt: Wenn  die Hausgemeinschaft auf Gott vertraut, wird sie immer
in Frieden leben.)



Stuckarbeiten im Inneren  werden der Werkstatt Johann Jakob Vogels zugeschrieben.

Im Garten stehen lebensgroße Sandsteinfiguren aus dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts:
   eine jugendliche männliche Gestalt (wohl Apollo)
   Juno
   eine weibliche Gestalt mit einem Gefäß (vielleicht Vesta)
   eine weiblich Gestalt mit einem Blumenkranz (vermutlich Flora)

Letzte Restaurierung: 1980-er Jahre

Heutige Nutzung: Galerie

Frühere Nutzung:
Wohnhaus, Gaststätte

Baugeschichte:  
1519: Auf dem Grundstück befinden sich zwei Häuser.
1596: Das Anwesen befindet sich im Besitz von Ulrich Marschall von Ebnet und besteht aus einem Haus "gegenüber der Trommel" und einer "stein Kemmet" (steinerne Kemenate: mit einem Kamin versehener Wohnungsbau).
1707-1713: Bau des jetzigen Böttingerhauses.
30.11.1710: Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn ordnet die kostenlose Lieferung von Bauholz für den Hausbau seines Hofrates Johann Ignaz Tobias Böttinger an.
1712: Das noch nicht vollständig ausgestattete Palais ist bereits bezogen, da dem Bauherrn eine Tochter Anna Barbara "in aedibus novis" (in neuen Gemächern) geboren wurde.
1805: Der Wert des Grundstückes beträgt 8000 Gulden.
19. Jahrhundert: zahlreiche Eigentümerwechsel
1899: Verkauf von Teilen der Gartenfassade nach München
1945: Im Dritten Reich Beschädigungen durch Militärfahrzeuge; 1945 Brandschäden am Dach.
1954: Das Bayerische Landesamt für Denkmalschutz fordert eine Konservierung, Öffnung der zugemauerten Fenster und Türen und Entfernung aller störenden Einbauten.
1955: Götz Freiherr von Pölnitz erwirbt das Anwesen.

Besonderes:
   Der Baumeister dieses einmaligen Bauwerkes ist nicht bekannt.
   Man beachte die Anmerkung


Anmerkung:  
[1]
Die Dekorteile aus der Gartenfassade des Böttingerhauses kamen nicht - wie man in München glaubt - als "Geschenk an die Landeshauptstadt" nach München, sondern durch einen fragwürdigen Verkauf: 1899 verscherbelt J. M. Sauermann, der damalige Besitzer des  Böttingerhauses, Dekor des Bauwerkes nach München, und die Stadtgemeinde kann dies trotz Einspruchs beim Königlich Bayerischen Staatsministerium nicht verhindern. Es gelingt nur, den völligen Abbruch des Bauwerkes aufzuhalten, nicht jedoch "die Entfernung der Architekturplastik von den Hof- und Rückfronten und den Verkauf von zwei ... in die Decken ... eingelassenen Leinwandbildern".
1900 kauft der Münchener Architekt Joseph Rank einen Teil der herausgebrochenen Dekorteile und baut sie in das so genannte Bamberger Haus im Luitpoldpark München (1913 vollendet) ein.
In den Hoffronten wurden nach 1928 Dekorationselemente ergänzt, wobei zum Teil die originalen Stücke aus München kopiert wurden.












Quelle:
GUTBIER, R.: Die Immunität St. Stephan. [Manuskript; Erscheinungstermin voraussichtlich Herbst 2002]
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